Mit Seong-Jin Cho zu Ravel: Das Hagenhaus in Nendeln wurde am Donnerstagabend zum Schauplatz eines Klavierabends, der Geschichte schreibt. Zum Auftakt der neuen Konzertreihe spielten nicht nur Ravels Klänge die Hauptrolle – sie wurden von einem der besten Pianisten der Gegenwart zum Leben erweckt.
Seong-Jin Cho wagte das schier Unmögliche: sämtliche Klavierwerke Maurice Ravels an einem Abend. Das Programm war monumental, aber nie überwältigend – dank Chos Fähigkeit, Ravels Vielschichtigkeit in all ihren Farben, Texturen und Emotionen auszuloten.
Der Abend begann mit den frühen Werken: In der Sérénade grotesque blitzte der junge Ravel humorvoll auf, während die Pavane pour une Infante défunte Cho Gelegenheit gab, sein lyrisches Feingefühl zu zeigen. Mit Jeux d'eau und der Sonatine erreichte der erste Teil eine erste interpretatorische Klimax, bei der Chos technische Brillanz die schimmernden Wasserspiele zum Strahlen brachte.
Nach einer kurzen Pause folgte mit Miroirs und Gaspard de la Nuit der zentrale Höhepunkt des Abends. Hier wurde Cho zum Erzähler von Geschichten: Die Vögel in Oiseaux tristes schienen zu singen, während die düstere Dramatik von Scarbo das Publikum den Atem anhalten liess.
Die zweite Pause brachte Erholung, bevor der letzte Abschnitt einen intimen Blick auf Ravels Eleganz und Raffinesse warf: Die Valses nobles et sentimentales tanzten zwischen Zartheit und Ironie, während das Tombeau de Couperin den Abend mit einer Hommage an die französische Barockmusik abschloss – ein Spiegel der Trauer und der Schönheit.
Chos Spiel zeigte nicht nur technische Präzision, sondern auch eine tiefe Verbundenheit zu Ravels Klangwelt. Es war, als würde er die Facetten von Ravels Persönlichkeit direkt vor unseren Ohren entfalten: den Träumer, den Perfektionisten, den ironischen Humoristen.
Das Publikum im ausverkauften Hagenhaus dankte mit stehenden Ovationen. Ein Abend wie dieser zeigt, dass Weltstars wie Seong-Jin Cho nicht nur die grossen Konzertsäle der Welt, sondern auch intime Räume wie Nendeln mit magischen Momenten füllen können. Ein fulminanter Auftakt für die Konzertreihe – und eine Hommage an Ravel, die ihresgleichen sucht.